Projekttagebuch

Land zum Leben – vor Ort

Peter Solluntsch

© Peter Solluntsch

Mein Name ist Peter Solluntsch, M.Sc. der Forstwissenschaften. Seit Dezember 2013 bin ich Mitarbeiter beim Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen e.V. (LPV) und bearbeite das Projekt Rotmilan-Land zum Leben. Der LPV Nordwestsachsen ist einer von 9 Praxispartnern in Deutschland, die das Projekt vor Ort umsetzen.

Wir betreuen in Sachsen eine Fläche von ca. 850 km². Das Projektgebiet liegt nördlich von Leipzig im Landkreis Nordsachsen. Prägend für das Landschaftsbild sind vor allem weite Felder, die intensiv bewirtschaftet werden und ein geringer Waldanteil. Abwechslung in der Agrarlandschaft ist durch das Naturschutzgebiet „Vereinigte Mulde Eilenburg – Bad Düben“ gegeben. Hier gibt es die höchste Rotmilandichte in ganz Sachsen!

Im Rotmilanprojekt haben sich die Praxispartner Ziele gesetzt, die sich im Wesentlichen in 3 Bereiche aufteilen lassen: Brutbestandserfassung, Beratung von Landnutzern zu einer rotmilangerechten Flächenbewirtschaftung und Öffentlichkeitsarbeit.

Im Folgenden erhalten Sie Eindrücke aus meiner abwechslungsreichen Arbeit als Rotmilanmanager!

März 2015

Schutzmaßnahmen vor Ort: Nestbaumschutz

Dieses Jahr haben viele Rotmilane den Winter in Nordsachsen verbracht. Vor allem im Bereich der Mulde, welcher durch einen hohen Grünlandanteil gekennzeichnet ist, konnte man häufig die Greife beobachten. Ende Februar kamen innerhalb von zwei Tagen die Rotmilane zurück nach Nordsachsen, die den Winter im Süden verbracht haben. Die vegetationsfreie Zeit ohne Laub an den Bäumen habe ich genutzt, um Nester zu kartieren. Manche Rotmilane kann man schon jetzt an ihren Nestern beobachten: Alte Nester werden ausgebessert; Erstbrüter und Paare, die ihren alten Nistplatz aufgegeben haben, bauen neu.

An bereits bekannten Neststandorten aus dem Vorjahr, an welchem schon ein Baugeschehen zu beobachten war, bringe ich spezielle Nestmanschetten zum Schutz der zukünftigen Rotmilanjungen an. Das „Ummanteln der Horstbäume“ mit handelsüblicher Verglasungsfolie wurde bereits im Vorjahr durch den Projektpartner Förderverein Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz e.V. erfolgreich erprobt. Es verhindert das Erklettern der Brutbäume durch den Waschbären.

Der Waschbär ist ein Neozoe, also eine in Deutschland ursprünglich nicht heimische Tierart. Durch seine Anpassungsfähigkeit und seine weite Verbreitung übt er einen negativen Einfluss auf den Bruterfolg vieler Vogelarten aus. Denn der Waschbär ist ein geschickter Kletterer, der gerne in Nestern brütender Vögel räubert. Durch eine Nestmanschette kann der Waschbär weder das Gelege, noch die Jungvögel erbeuten, da er gehindert wird, am Stamm hochzuklettern. Außerdem kann der Waschbär das Brutgeschehen nicht stören, indem er das Nest als Schlafplatz nutzt.

Fertig angebrachte Baum-Manschette an einem Horstbaum. © Peter Solluntsch

Info-Aufkleber an der Baum-Manschette © Peter Solluntsch

Dezember 2014

Herbstzug und Wanderausstellung

In diesem Winterhalbjahr sind in Nordsachsen besonders viele Rotmilane zu sehen. Traditionell ziehen die meisten der „Gabelweihen“ nach Südeuropa, um dem Winter zu entfliehen. Insbesondere Spanien aber auch Südfrankreich und Italien sind bevorzugte Überwinterungsgebiete. Der Grund für das Zugverhalten ist einfach: Unter einer dicken Schneedecke würden die Greife nur schwer genug Nahrung finden, um ihren Energiehaushalt bei der kalten Witterung zu decken. Bei milden Wintern und guter Nahrungsverfügbarkeit – wie in dem aktuellen „Mäusejahr“ 2014 – bleibt jedoch ein Teil der Rotmilanpopulation hier in Deutschland.

Rotmilane im Winter. © Christian Gelpke

Während ein Teil unserer Rotmilane im sonnigen Spanien überwintert, halte ich Vorträge zum Rotmilan und stelle das Projekt Rotmilan-Land zum Leben vor. Auch die renommierte Rotmilan-Wanderausstellung gastierte im Tiergarten Delitzsch in Nordsachsen. Einen besonderen Höhepunkt im Ausstellungsprogramm bildete ein Rotmilan-Abend, zu dem wir den Tierfilmer Robin Jähne eingeladen haben. Mit seinem Film „Das Jahr des Rotmilans“ zog er die Zuschauer mit einzigartigen Naturaufnahmen in seinen Bann.

Mit dem Abschluss des Laubfalls im November beginnt auch das neue Kartierjahr zur Brutbestandserfassung. Die potentiellen Greifvogelnester, die 2014 hinzugekommen sind, werden eingemessen. Dabei berücksichtige ich auch solche, die nicht von Rotmilanen genutzt wurden. Denn im Frühjahr könnten sie diese als Ausgangsbasis für ihre Nester verwenden. Dann wären sie aber aufgrund der Belaubung in den Bäume nicht mehr zu entdecken.

Robin Jähne beim Rotmilanabend im Tiergarten Delitzsch. © Peter Solluntsch

Mit dem Abschluss des Laubfalls im November beginnt auch das neue Kartierjahr zur Brutbestandserfassung. Die potentiellen Greifvogelnester, die 2014 hinzugekommen sind, werden eingemessen. Dabei berücksichtige ich auch solche, die nicht von Rotmilanen genutzt wurden. Denn im Frühjahr könnten sie diese als Ausgangsbasis für ihre Nester verwenden. Dann wären sie aber aufgrund der Belaubung in den Bäume nicht mehr zu entdecken.

Greifvogelnest. © Peter Solluntsch

September 2014

Am Infostand

Im September ist der Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen traditionell auf vielen Herbst- und Erntefesten vertreten. So auch in diesem Jahr. Neu hinzugekommen ist der Informationsstand „Rotmilan-Land zum Leben“.  An diesem stelle ich unser Rotmilanprojekt vor. Unterstützt werde ich dabei von Rollups, die unser Projektpartner, die Deutsche Wildtier Stiftung, konzipiert hat.

Aber auch zahlreiche Broschüren über Rotmilan, Kiebitz, Rebhuhn und Feldhamster zeigen, dass unser Projekt nicht nur dem König der Lüfte, sondern auch zahlreichen Wiesenbrütern und Offenlandbewohnern zu Gute kommt. Besonders interessant sind die Gespräche mit den Besuchern der Erntefeste. In Gesprächen stellt sich heraus, dass viele den Rotmilan kennen. Aber nur wenige wissen, dass er schutzbedürftig ist. Manche haben noch nie vom Rotmilan gehört. Hier gibt es noch viel zu tun!

Die Kinder sind besonders von unserem Spiel und Bastelangebot begeistert. Neben Buttons, die es für ein richtig gelöstes Rotmilanquiz gibt, steht das Basteln von Vogelmasken hoch im Kurs. Hier kann man immer wieder die Begeisterung für den „Roten Drachen“ spüren.

Für einen besonderen Hingucker wird auch ein detailgetreues Rotmilanpräparat sorgen, welches uns in Zukunft an Infoständen und bei Vorträgen unterstützen wird. Es wurde uns vom Museum der Westlausitz in Kamenz, welche auch eine interessante Ausstellung zu Offenlandarten konzipiert hat, als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Dieser Rotmilan ist bereits 1998 dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen. Von den Präparatoren des Museums wurde ihm nun neues Leben eingehaucht. So kann er seinen Artgenossen als Botschafter für mehr „Land zum Leben“ dienen.

Infostand zum Projekt Land zum Leben © Peter Solluntsch

Der Rotmilan im Gespräch © Peter Solluntsch

Rollup zum Projekt Land zum Leben © Peter Solluntsch

Rotmilanpräparat © Peter Solluntsch

Basteln mit den Kindern © Peter Solluntsch

Die Vogelmasken kommen gut an © Peter Solluntsch

August 2014

Öffentlichkeitsarbeit

Nach dem Abschluss der Brutbestandserfassung nutze ich die Zeit, die ich nicht für das Monitoring im Gelände benötige, für Öffentlichkeitsarbeit. Vor allem für die Hof- und Erntefeste im September, die im Landkreis Nordsachsen in diesem Monat jedes Wochenende stattfinden, muss im Vorfeld viel organisiert werden. Für diese bereite ich neben Informationstexten für Erwachsene auch Rätsel- und Bastelideen für kleine Rotmilanexperten vor, denn es ist nie zu früh, jemanden für die Vielfalt und Schönheit der Natur zu begeistern.

Als besonderer Magnet für den Rotmilanstand für junges Publikum zeigt sich unsere Buttonmaschine, die nicht nur Kinder begeistert. Mit Hilfe dieser stelle ich mit den Kindern Buttons als Belohnung nach einem gelösten Quiz her. So können die frischgebackenen Rotmilanexperten gleichzeitig Beute machen und habe eine kleine Erinnerung an einen Besuch beim Rotmilan, der ihnen so dauerhaft im Gedächtnis bleibt.

Das Rotmilan-Quiz für Jung und Alt. © Peter Solluntsch

Selbstgemachte Rotmilan-Buttons. © Peter Solluntsch

Wie gerufen kam der Vorschlag des Leiters vom Regionalen Obsthof Wöllmen, ein Rotmilanquiz für das anstehende Hoffest zu entwerfen. Die Besonderheit ist: Auf neun Pfählen habe ich die Tafeln mit den Quizfragen in einem 2ha großen Maislabyrinth versteckt. Im Maislabyrinth selbst verliert sich der Besucher in der grünen Weite. Man spürt auch am eigenen Leib, dass es in einer solchen Umgebung für den Greif unmöglich ist, an Nahrung zu kommen.

Auf jeder der Quiztafeln findet man eine Rubrik für Erwachsene und eine für Kinder. Anhand des Quizes werden Informationen zu Biologie und Lebensweise, aber auch über die aktuelle Gefährdung des Rotmilans vermittelt. Vor allem aber wird Begeisterung für den Roten Drachen geweckt.

Juli 2014

Ausflug der Jungvögel

Anfang Juli haben die Jungen Rotmilane ihre ersten Flugversuche unternommen. Sie verlassen nun das Nest und sitzen als sogenannte „Ästlinge“ in den benachbarten Baumkronen. Dort werden sie noch immer von ihren Eltern gefüttert und kehren regelmäßig zum Nest zurück. Mitte Juli sieht man dann schon viele der Jungvögel am Himmel kreisen. Am Anfang begleiten sie dabei noch ihre Eltern. Es stellt sich ein schönes Gefühl ein, wenn ich die jungen Greife bei ihren ersten Ausflügen in der offenen Landschaft beobachten kann.

Jungvogel.© Peter Solluntsch

Mit der einsetzenden Getreidemahd Mitte Juni und der Rapsmahd Ende Juni entspannt sich die Ernährungssituation für den Rotmilan. Oftmals sieht man Rotmilane, zusammen mit Schwarzmilanen und Mäusebussarden Erntemaschinen folgen. Sie suchen vor allem Mäuse auf den frisch geernteten Flächen.Mit dem Ausflug der Jungvögel ist die Brutbestandserfassung für das Jahr 2014 abgeschlossen.

Es wird nun Zeit Informationsveranstaltungen zum Rotmilan zu planen. Ich werde Vorträge halten und Informationsstände betreuen. Denn weiten Teilen der Bevölkerung ist gar nicht klar, dass die Bestände vieler heimischer Tierarten zurückgehen.

Mehr dazu im nächsten Beitrag! 

Getreideernte. © Peter Solluntsch

Juni 2014

Schlupf der Jungvögel

Nach ca. 30-35 Tagen Brutzeit sind Ende Mai Jungvögel geschlüpft. Die Jungvögel sind jetzt, Mitte Juni, ungefähr 20-30cm groß und bringen bis zu 1kg auf die Waage.

Doch nicht bei allen Rotmilanen verlief die Brut erfolgreich. Viele Nester sind in diesem Jahr leer geblieben. Woran kann das liegen?

Durch eine ungünstige Ernährungssituation der Altvögel kann es dazu kommen, dass weniger Eier gelegt werden. Gründe dafür sind in der ausgeräumten Landschaft zu suchen.

Rotmilan-Jungvogel im Nest. © Peter Solluntsch

Ausgeräumte Landschaft. © Peter Solluntsch

Über großen Schlägen von Wintergetreide, Raps und Mais findet der Rotmilan nichts zu fressen. Die Nahrung ist durch den Aufwuchs der Kulturen nicht erreichbar. Eine schlechte Nahrungsverfügbarkeit zum Zeitraum der Jungenaufzucht kann dazu führen, dass bereits geschlüpfte Rotmilanjungen verhungern.

Immer wieder finde ich tote Rotmilanjungen unter den Nestbäumen. Ein sinkender Rotmilanbestand ist die Folge.Genau hier möchten wir im Projekt ansetzen. Es muss möglich sein, die Ernährungssituation für den Rotmilan zu verbessern.

Ab 2015 stehen wieder Gelder von der Europäischen Union für Agrar-Umweltmaßnahmen zur Verfügung. Sie beinhalten z.B. die Förderung von Grünland, Brachflächen und Blühstreifen. Durch eine Kooperation mit Landwirten soll die Landwirtschaft so gestaltet werden, dass der Rotmilan neben intensiv bewirtschafteten Flächen wieder Land zum Leben hat.

Das hilft übrigens nicht nur dem Rotmilan. Auch andere Tierarten, wie z.B. das Rebhuhn, der Feldhase und der Hamster profitieren von solchen Maßnahmen!

Toter Jungvogel. © Peter Solluntsch

Grünland. © Peter Solluntsch

April 2014

Erfassung des Butbestandes

Ende März konnte man den Rotmilanen beim Nestbau zusehen. Jetzt, Mitte April, ist es an vielen Nestern soweit: der Rotmilan hat seine Eier abgelegt und beginnt mit der Brut! Ein Rotmilangelege besteht aus 1-3 Eiern. Wie viele Rotmilane am Ende der Brutzeit ausfliegen werden, hängt von verschiedenen Faktoren, vor allem der Witterung, der Nahrungsverfügbarkeit und Störungen durch andere Tierarten und den Menschen ab.

Nun ist es an der Zeit für eine zweite Begehung der Greifvogelnester, die im Winter kartiert wurden. Ich muss besonders vorsichtig sein, um die Tiere nicht zu stören. Um sicher zu gehen, beobachte ich aus einiger Entfernung mit dem Fernglas. Oft sieht man nicht den ganzen Vogel. Ein charakteristischer heller Kopf oder ein tief gegabelter Schwanz verraten aber den Bewohner als Rotmilan.

Rotmilan mit Nestmaterial. © Peter Solluntsch

Rotmilan im Nest. © Peter Solluntsch

Wie zu erwarten war, habe ich nicht nur Rotmilannester erfasst. Ich finde vor allem Mäusebussarde, einige Schwarzmilane, Raben und Krähen vor. Auch exotische Begegnungen sind mit dabei: In einigen Nestern schlafen Waschbären und auch eine Nilgans geht ihrem Brutgeschäft nach.

Waschbär und Nilgans sind Neozoen, das heißt, dass sie hier ursprünglich nicht heimisch sind. Der Waschbär ist ein großes Problem. Er erklettert die Nester und frisst die Eier und Jungen des Rotmilans! Auch die Nilgans kann dem Rotmilan Probleme machen. Sie nutzt das fertige Nest von Greifvögeln für ihre Brut und lässt sich von diesen nicht mehr aus dem Nest vertreiben.

Ich bin gespannt, wie die Brut in diesem Jahr ausgehen wird. Die ersten Jungvögel sollten Mitte Mai schlüpfen!

Nilgans. © Peter Solluntsch

Februar 2014

Erfassung der Rotmilannester

Dem Projekt „Land zum Leben“ soll eine Datengrundlage gegeben werden. Ich möchte wissen, wie viele Rotmilane im Projektgebiet brüten. Deshalb habe ich innerhalb des Projektgebiets ein Kontrollgebiet eingerichtet. Auf ca. 330 km² werde ich ermitteln, wie viele Rotmilane brüten. Die über mehrere Jahre gesammelten Daten geben dann Aufschluss, wie sich der Bestand des Rotmilans entwickelt.

Der Schlüssel dafür ist, die Rotmilannester vom Vorjahr zu erfassen. Das geht am besten im Winter, während der laubfreien Zeit. Rotmilane nutzen ihre Nester häufig über mehrere Jahre hinweg. Im Frühjahr, wenn die Brutzeit beginnt, kann ich dann gezielt die Nester vom Vorjahr ablaufen.

Ich habe alle Hände voll zu tun. Mit GPS-Empfänger, Fernglas und Kamera ausgestattet durchstreife ich Wälder und Felder und halte Ausschau. Die Nester sind nicht einfach zu finden. Sie liegen an Waldrändern, in Feldgehölzen und Baumreihen ca. 10-20m hoch, meist in einer massiven Gabelung des Baumes am Stamm.

Bei dieser Art von Erfassung kann man nicht ausschließlich Rotmilannester kartieren. Denn die Nester von Greifvögeln können sich sehr ähneln. Somit werden auch Nester von anderen Greifvögeln, wie die vom Schwarzmilan und Mäusebussard mit erfasst.

Einen ersten Hinweis auf den Rotmilan findet sich in Plastik- und Stofffetzen, die mit im Nest verbaut werden. Das ist eine Eigenart des Rotmilans. Eine zweite Begehung im Frühjahr wird dann Aufschluss geben, welcher Greif auf welchem Nest brütet!

Rotmilannest. © Peter Solluntsch