Expertentreffen in Weimar 2018

Am 7. November 2018 lud das Projekt Rotmilan – Land zum Leben bereits zum dritten Mal zum bundesweiten Treffen der Rotmilanexperten und –akteure nach Weimar ein. Im Rahmen dieser Tagesveranstaltung wurden die Teilnehmer über die wichtigsten Ergebnisse des Projektjahres 2018 aus dem bundesweiten Rotmilanprojekt informiert.

Gleichzeitig wurde im Rahmen des Treffens  das Thema Telemetrie in den Mittelpunkt gestellt, um zu diskutieren, inwieweit Telemetrieergebnisse zur Aufklärung der Nahrungshabitatwahl im Verlauf einer Brutsaison beitragen. Die Präsentation der Ergebnisse und Erfahrungen aus weiteren Rotmilanprojekten in Deutschland und der Schweiz trugen zur einer inspirierenden Diskussion bei und bestätigten u.a. die Projektergebnisse.

Vorträge:

  1. Aktuelle Projektergebnisse 2018 Rotmilan – Land zum Leben – Uwe Lerch, DVL
  2. Welche Landnutzungstypen bevorzugen die besenderten Rotmilane in den Projektgebieten Göttingen, Weimar und Nordsachsen während der Brutzeit? – Jakob Katzenberger, DDA
  3. Ursachenforschung mittels Telemetrie. Warum verändert sich die Habitatwahl des Rotmilans? – Martin Kolbe, Rotmilanzentrum Sachsen-Anhalt
  4. Ein Opportunist im Aufwind – Hintergründe zur Populationsentwicklung der Rotmilane in der Schweiz – Patrick Scherler, Schweizerische Vogelschutzwarte
  5. Die Kombination von Telemetrie- und Videodaten besenderter Rotmilane Göttingen – Dr. Eckhard Gottschalk, Georg-August-Universität Göttingen
  6. Ressourcennutzung von Rotmilanen in Raum und Zeit – Sascha Rösner, Philipps-Universität Marburg
  7. Ergebnisse telemetrierter Rotmilane im Weimarer Land – Thomas Pfeiffer

Zu Beginn stellte Uwe Lerch vom DVL die diesjährigen Ergebnisse aus den Praxisregionen des Projekts Rotmilan – Land zum Leben vor. In den Kontrollgebieten von acht Regionen wurde wie bisher der Brutbestand des Rotmilans erfasst und in 9 Praxisregionen zu Maßnahmen für eine rotmilanfreundliche Bewirtschaftung beraten. Auffällig bei den Brutbestandsdaten ist in diesem Jahr, dass in den Praxisregionen Sternberger Endmoräne (Mecklenburg-Vorpommern) und Brandenburg der relative Anteil erfolgreicher Brutpaare deutlich höher war als in den bisherigen Projektjahren. Im Landkreis Göttingen und in Ostsachsen ist es genau umgekehrt, dort war der relative Erfolgsanteil sehr viel geringer als in den letzten vier Jahren.

In den Projektregionen beraten die Praxispartner in erster Linie Bewirtschafter in der Land- und Forstwirtschaft, um rotmilanfreundliche Maßnahmen in die Bewirtschaftungsabläufe zu integrieren und den Erhalt, die Anlage und den Umbau von Habitatstrukturen und den Nestschutz zu fördern. Diese Maßnahmen werden auf Grundlage der Agarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) umgesetzt, die in den Ländern hinsichtlich ihrer Qualität jedoch sehr unterschiedlich angeboten werden. Es gibt es laufend Veränderungen in der Ausgestaltung der Maßnahmen, z.T. wurden Maßnahmen wieder zurückgenommen oder auf Grund der hohen Nachfrage und offensichtlich nicht ausreichend eingeplanter Haushaltsmittel nicht weiter angeboten. Das erschwerte die Beratung in der Praxis enorm. Manche Landwirtschaftsbetriebe setzten lieber freiwillig Maßnahmen um, als sich dem hohen bürokratischen Aufwand und der Gefahr von Sanktionen auszusetzen. Positiv ist, dass die Praxispartner mit den Landbewirtschaftern mittlerweile eine gute Kooperation und Vertrauensbeziehung aufgebaut haben und die Betriebe zunehmend häufiger für Fragen und eine Begleitung der Maßnahmenumsetzung auf die Berater zukommen.

Um Schutzmaßnahmen für den Rotmilan effektiv gestalten und umsetzen zu können, ist es notwendig zu wissen, wo genau die Vögel zur wichtigen Zeit der Jungenaufzucht Nahrung suchen. Im Projekt Rotmilan – Land zum Leben wurden daher in den Projektregionen Göttingen, Weimar und Nordsachen von 2014 bis 2017 insgesamt 37 Rotmilane mit Sendern ausgestattet, um ihre Bewegungen verfolgen zu können. Dabei soll insbesondere untersucht werden, ob die Vögel die für sie optimierten Flächen häufiger überfliegen als Vergleichsflächen, auf denen keine rotmilanfreundlichen Maßnahmen umgesetzt werden. Jakob Katzenberger vom DDA präsentierte erste Ergebnisse, die zeigen, dass Rotmilan-Männchen zur Zeit der Jungenaufzucht in allen drei Gebieten zur Nahrungssuche am häufigsten menschliche Siedlungen aufsuchen. Aber auch Maßnahmenflächen mit regelmäßiger Mahd, insbesondere Grünland und Feldfutterflächen (kleinkörnige Leguminosen), werden gegenüber Wintergetreide deutlich bevorzugt.

Mehr Informationen in der Präsentation von Jakob Katzenberger, DDA: Welche Landnutzungstypen bevorzugen die besenderten Rotmilane in den Projektgebieten Göttingen, Weimar und Nordsachsen während der Brutzeit?

Auch im nördlichen Harzvorland wird die Habitatwahl von Rotmilanen mit Hilfe besenderter Vögel untersucht. Für diese Region kann ebenfalls bestätigt werden, dass Rotmilane seit den 1980er Jahren zunehmend in der Nähe von menschlichen Siedlungen brüten und diese auch bevorzugt zur Nahrungssuche anfliegen. Martin Kolbe vom Rotmilanzentrum in Halberstadt erklärte, dass die Ursache für die Veränderung im Siedlungsverhalten jedoch nicht auf die Bestandsentwicklung zurückzuführen ist, sondern auf ein gutes Nahrungsangebot in der Stadt. In Halberstadt werden Rotmilane u.a. von Privatpersonen gefüttert.
Zudem konnte herausgefunden werden, dass benachbarte Rotmilane deutlich abgegrenzte Reviere haben und in der Regel auch bei der Nahrungssuche in diesen bleiben.

Mehr Informationen in der Präsentation von Martin Kolbe, Rotmilanzentrum Sachsen-Anhalt: Ursachenforschung mittels Telemetrie. Warum verändert sich die Habitatwahl des Rotmilans?

Um exakte Aussagen darüber treffen zu können, wo Rotmilane welche Nahrung sammeln, kombiniert Dr. Eckhard Gottschalk von der Georg-August-Universität Göttingen Telemetriedaten besenderter Rotmilane mit Videodaten aus Nestkameras. So kann verfolgt werden, wo genau Rotmilane Nahrung sammeln und welches Beutetier sie kurze Zeit später ins Nest bringen. Im Rahmen einer Masterarbeit aus 2016 konnten 21 Nahrungsaufnahmen zusätzlich mit Kameras verfolgt werden. Den größten Anteil davon machte Aas aus (acht Nahrungsaufnahmen), das in menschlichen Siedlungen gesammelt wurde, sechsmal wurden Kleinsäuger ins Nest gebracht, die im Grünland erbeutet wurden und Singvögel waren die dritte große Nahrungskomponente, die sechsmal auf Ackerflächen und einmal auf einer Blühfläche gejagt wurden.

Warum die Rotmilanbestände in der Schweiz stetig zunehmen, untersucht die Schweizerische Vogelwarte seit 2015 in einem großen Forschungsprojekt mit über 400 besenderten Vögeln. Patrick Scherler berichtete über erste Ergebnisse. Da die Landschaft im Untersuchungsgebiet durch Kleinteiligkeit und einem hohen Grünlandanteil mit häufiger Mahd geprägt ist, sind Beutetiere für den Rotmilan ausreichend verfügbar und erreichbar. Der Anteil erfolgreicher Bruten (Fortpflanzungsziffer) ist dort jedoch nicht höher als in Deutschland, weshalb andere Ursachen für die Bestandszunahme vermutet werden. Bei einer Befragung haben die Wissenschaftler der Vogelwarte Sempach festgestellt, dass 12 % der ländlichen Haushalte regelmäßig Rotmilane füttert. Zudem oder deswegen überwintern immer mehr Vögel in ihren Brutgebieten, die dann nicht den (tödlichen) Gefahren auf dem Zug ausgesetzt sind. Die Zufütterungen und das schnelle Wachstum der Überwinterungspopulationen werden daher als wichtige Gründe für die Bestandszunahme angenommen.

Sascha Rösner stellte das neue Forschungsprojekt der Arbeitsgruppe Naturschutz an der Philipps-Universität Marburg vor. Seit 2017 wurden 20 Rotmilane besendert, um die Bewegungsökologie der Vögel und den Einfluss von Landnutzungsformen und Windenergieanlagen zu untersuchen. Dabei wird die Habitatwahl der Rotmilane auf vier unterschiedlichen räumlichen Skalen, von der regionalen Verbreitung der Art bis hin zur Nutzung von „Mikrohabitaten“ betrachtet. Zudem wird im Rahmen des Projekts angestrebt, einen Beitrag zur Entwicklung eines einheitlichen Methodenstandards bei Raumnutzungsanalysen zu leisten.

Thomas Pfeiffer, der seit über 30 Jahren zu Rotmilanen forscht und u.a. im Rahmen des Projekts Rotmilan – Land zum Leben Rotmilane im Weimarer Land besendert, stellte zum Schluss Ergebnisse zu Aktivitätsphasen besenderter Vögel vor. Wie oft und wie lange ist ein Individuum während der unterschiedlichen Phasen der Brutzeit in der Luft? Generell sind Rotmilane zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang aktiv, Weibchen sind bzgl. des Endes ihrer Aktivitätsphase ein bisschen variabler. Die Vögel sind hauptsächlich zur Mittagszeit in der Luft, um energiesparend in der Thermik zu fliegen. Betrachtet man die drei Phasen der Brutsaison (Brutzeit, Jungenaufzucht und Bettelflugphase), sind Männchen am häufigsten zur Zeit der Jungenaufzucht unterwegs auf Nahrungssuche. Weibchen sind insgesamt um die Hälfte weniger aktiv, am meisten zur Zeit der Bettelflugphase.

 

Jakob Katzenberger stellt die neuesten Telemetrie-Ergebnisse besenderter Rotmilane aus dem Projekt Rotmilan – Land zum Leben vor.